MASSE ganz realer

28 ALSTER-MAGAZIN NR. 06 2017 ALSTER MAGAZIN L O C A L P E O P L E MASSE IM RAUSCH Ein ganz realer Machtkitzel Der Schauspieler Jonas Minthe (27) war bereits in Notruf Hafenkante und Morden im Norden zu sehen. Am Thalia Theater wirkte er in Die drei Musketiere mit. Jetzt ist er am Ernst Deutsch Theater in Die Welle zu sehen. Wir sprachen mit ihm über das brisante Stück. Z ur Handlung: Lehrer Ben Ross unterrichtet zum Thema National-sozialismus. Seine Schüler sind sich sicher, dass so etwas nicht wieder passieren könnte. Um das zu widerlegen, konzipiert er ein Experiment, bei dem er in drei Stufen ein autoritäres System Die Welle einführt, über das er aber schon bald die Kontrolle verliert. Alster Magazin: Herr Minthe, Sie sind Wahlhamburger. Was hat Sie in die Hansestadt geführt? Jonas Minthe: Mich hat, ganz profan, die Arbeit hierher geführt. Ich habe in Hannover Schauspiel studiert, war danach am Schauspielhaus in Bonn. Vor zwei Jahren gab es dann ein Angebot vom Thalia Theater für ein Gastspiel, woraufhin sich alles schön gefügt hat und ich meine erste Anfrage vom Ernst Deutsch Theater bekam. Die Welle ist mein viertes Engagement hier. So bin ich Hamburger geworden und darüber wirklich glücklich, denn ich mag die Stadt sehr. Was gefällt Sie denn besonders an unserer Stadt? Generell stehe ich gerade total auf Großstadt, weil überall das Leben pulsiert. Hamburg ist dabei nicht so überfrachtet wie beispielsweise Berlin. Hier zentriert sich alles um die Alster und so bleibt die Stadt übersichtlich. An Hamburg als Theaterstadt finde ich auffällig, dass zusätzlich zu den beiden Staatstheatern die Privattheater-Szene qua- litativ sehr hochwertig ist. Kommen wir nun zur Welle. Was macht das Stück aktuell? Ich würde sogar sagen, dass es zeitlos ist. Es ist immer schon so ge- wesen, dass Menschenmassen durch eine Führerfigur beeinflussbar sind. Die Beobachtung, dass Menschen für ein vages Zusammenge- hörigkeitsgefühl bereit sind, individuelle Ansichten zurückzustecken, kann man beispielsweise auch bei Wählern des Front National machen. Manche unterstützen sicher nicht alles, was Le Pen propagiert, haben sie aber trotzdem gewählt. Ist es eine besondere Erfahrung den Lehrer Ben Ross zu spielen? Absolut, denn bei den Proben habe ich gemerkt, dass der Machtkitzel, über die Schüler eine solche Kontrolle zu haben, eine große Verlockung ist. Deswegen kann ich verstehen, dass Menschen, die von solcher Macht gekostet haben, irrational werden. Sich das schön zu reden ist leicht, denn die Schüler bringen ja tatsächlich bessere Leistung es ist nicht alles schlecht an diesem Experiment und Ben Ross hat zunächst Spaß an der Sache. So bekommt man eine Ahnung davon, warum manche Menschen von der Macht nicht genug bekommen. Erdogan baut seine Position ja auch immer weiter aus. Mich wundert, dass die Erfahrung in den Proben so intensiv war. Woran lag das? Das hat viel mit der Klasse zu tun, die Herr Sprenger auf die Bühne gebracht hat. Das sind alles junge Leute (hält kurz inne). Vielleicht verdeutlicht meine Erfahrung auch, dass es nicht viel braucht, um solche Mechanismen hervorzurufen. Wie habt ihr auf die Gefahr reagiert, ein reines Schülerstück zu produzieren? Indem wir die verhandelte Problematik sehr ernst genommen haben. Was mit diesen Schülern passiert, ist für jede Altersklasse relevant. Ich glaube auch, dass jeder Mensch eigene Anknüpfungspunkte hat, über die das Bühnengeschehen als sehr brisant erfahren wird. ww VERANSTALTUNGS- TIPP Die Welle Dramatisie- rung des Romans von Mor- ton Rhue von Wolf-Dietrich Sprenger. Vorstellungen: bis 9.7. , Ernst Deutsch Theater, Tickets ab 22 auf ernst- deutsch-theater.de Jonas Minthe erfährt in der Rolle als Lehrer Ben Ross das Agieren eines autoritären Führers. Fo to : O liv er F an tit sc h