Turbulente Roman werden

14 ALSTER-MAGAZIN NR. 09 2017 Auf dem Prüfstand mit Rufus Beck. Christine Knödler, Alex Rühle und Rufus Beck diskutieren über Neuerscheinungen der Kinder- Und Jugendliteratur. 27.6., ALSTER MAGAZIN L O C A L P E O P L E Mit ihrem jüngsten Roman Wir werden erwartet hat die in Harvestehude lebende Ulla Hahn (71) eine vierbändige Reihe mit autobiographischen Zügen abgeschlossen. Wir sprachen mit der Literatur- Koryphäe und Ehefrau von Klaus von Dohnanyi über ihr Werk, Leben, Lesen und Schreiben. Turbulente 68er Der Roman Wir werden erwartet spielt in den Jahren des Umbruchs der 68er. Hilla Palm, Doktorandin der Deutschen Literatur, ist in ein- fachsten Verhältnissen in Dondorf am Rhein aufgewachsen. Erschüttert von einem Schicksalsschlag wird sie erfasst vom Sog der bewegten Zeiten und engagiert sich in der DKP. Erst nach einer Reise in die DDR beginnt sie zu verstehen, dass die Freiheit ohne die Freiheit des Wortes nicht möglich ist. Alster Magazin: Ihre Protagonistin Hilla Palm hat eine enge Bindung zum Rhein. Haben Alster und Elbe für Sie einen vergleichbaren Stellenwert? Ulla Hahn: Der Rhein ist Heimat. Alster und Elbe sind schöne Gegenwart Der erste Band erschien vor 16 Jahren. Nun haben Sie ein Romanprojekt im Umfang von über 2000 Seiten abgeschlossen. Geht damit eine Lebens- phase zu Ende? Lebensphase? Nein. Eine Schreibphase gewiss. Und worin unterscheidet sich für Sie eine Schreib- phase von einer Lebensphase? Schreibphasen umfassen Anfang und Ende eines Werkes. Lebensphasen markieren den Takt meines persönlichen Lebens. Das muss sich nicht notwendigerweise decken. Als Hillas Partner Hugo bei einem Autounfall stirbt, heißt es von der Tante, das sei Schlimmer als Krieg. Mehr als die Meinung einer Romanfigur? Erschüttert uns der Tod im Frieden mehr? Der unverhoffte Tod eines jungen Menschen erschüttert im Frieden immer ganz besonders. Und wenn dieser junge Mensch der geliebte Partner ist, dann ist dies wohl das denkbar größte Unglück. Die kommunistische Ideologie bietet Hilla in schweren Zeiten Halt und Sicherheit. Radikalisierung ist ein hoch aktuelles Thema. Wie können wir uns davor schützen? Genau hinschauen und hinhören. Sich von großen Worten und dem Versprechen schneller Lösungen nicht verführen lassen. Also Mut zur eigenen Wahrnehmung und Wahrheit. Zum eigenen Urteil. Weil Hilla bei allem Glauben wollen immer dieser Millimeter Zwei- fel bleibt, ist sie für die Partei ein unsicherer Kandidat. Ich habe das als ein ihr angeborenes Privileg gelesen, da sie von Kindheit an eigene Wege geht. Würden Sie dem zustimmen? Ja, unbedingt. Und für diese Eigenschaft bin ich dankbar. Hilla lebt und liebt Literatur. Auch Sie haben Ihr Leben dem Lesen, Schreiben und Lehren gewidmet. Was hat Sie dazu bewegt? Für ein neugieriges Arbeiterkind vom Dorf war Lesen und Schreiben eine notwendige Sehnsucht, um die Welt zu erfahren. Wie würden Sie wenig erfahrenen Leserinnen und Lesern vermitteln, dass Literatur zur Welterfahrung werden kann? Romane und Erzählungen führen immer in andere Welten, man trifft neue Menschen, macht neue Er - fahrungen, gewinnt neue Erkenntnisse. Mein Rat: Sich einfach ans Lesen begeben wie auf eine Reise: Neugierig auf Neues. Der Romanzyklus lotet das Rheinland der 50er-70er Jahre aus und führt hierher. Welche Rolle spielt Hamburg in Ihrem bisherigen Schaffen? Der größte Teil des Buches, über das wie hier reden, spielt ja in Hamburg. Ebenso wie der Roman Unscharfe Bilder und die wundervoll illustrierte Erzählung Alsterlust. Dazu kommen viele Gedichte, u.a. das vielzitierte Fest auf der Alster. Finden Sie auch in diesem Buch. Wolfgang Wagner Ulla Hahn: Wir werden erwartet. Roman. Deutsche Verlags-Anstalt, Geb., 640 S., 28 (Kindle Edition 19,99 ) Man kann problemlos in den neu n Band einsteigen, oh e die ersten drei zu lesen. BUCHTIPP: Führt mit dem letzten Band ihrer autobiographischen Roman-Reihe nach Hamburg: Autorin Ulla Hahn. Fo to : J ul ia B ra un Sich einfach ans Lesen begeben wie auf eine Reise