Unser Dilemma KOLUMNE

ALSTERTAL MAGAZIN | 3 KOLUMNE VON WOLFGANG E . BUSS Unser Dilemma Die Hamburger Chaos-Tage haben uns erneut das Dilemma unseres Rechtsstaates vor Augen geführt. Das übliche Nachspiel solcher ne- gativer Ereignisse: Die Verantwort- lichen schieben die Schuld erstmal auf andere ! Nach vielen Details bleibt eine tief greifendere Frage: Ist es überhaupt möglich, in einer offenen-toleranten Gesellschaft wie der unseren, Veranstaltungen dieser Dimension noch durchzuführen? Nahezu alle in unserem Land verfüg- baren Polizeikräfte wurden zum G20 nach Hamburg beordert, trotzdem konnten sie den Mob nicht bändigen. Wenn die vermeintlich verhass- testen Politiker der Welt, darunter Trump, Putin und Erdogan, sich an einem Ort wie Hamburg treffen, scheinen Wut und Kritik grenzenlos und grenzenloser Hass macht sich breit. Gegen den Hass! Klar! Wie oft haben wir diesen Satz lesen müssen und nun hat er seine hässliche Fratze erneut gezeigt. Ausgerechnet jene, an die diese Botschaft eigentlich gar nicht adressiert war, also die Linken, zerstören mit Hass, Testosteron, Dummheit und Hybris viel mehr als nur Autos und Glasscheiben. Und wir stehen empört davor: Warum sind unsere Sicherheitskräfte nicht in der Lage, uns vor diesem Mob zu schützen? Ich denke, sie könnten es. Genauso, wie zahlreiche andere Länder der Welt solche Demonstrationen niemals zuließen, könnten auch wir es unterbinden. Mit einer robusten Polizei, weitreichenden Geheimdiensten und ei- nem restriktivem Versammlungsrecht, könnten wir den gesamten Spuk schon im Keim ersticken. Doch eben genau das wollen wir nicht. Haben doch gerade wir Deutschen mit dieser Form staatlicher Gewalt üble Erfahrungen machen müssen: im Nationalsozialismus mit der Gestapo und anschließend in Erich Mielkes Stasi-Deutschland, wo jede Art von Widerstand brutalst unterdrückte wurde. Auf der anderen Seite hat es nie gereicht, ein paar freundliche Papp- schilder hochzuhalten, um große gesellschaftliche Veränderungen herbeizuführen. Die Anführer in Paris 1789 haben statt Kreativer Tanz-Performance-Proteste die Guillotine aufgestellt, um sich von ihren Unterdrückern in Aristokratie und Totalitarismus zu befreien. Und möglicherweise wäre die Bundesrepublik mit Kernkraftwerken zugepflastert worden, hätten nicht einige Gewalt gegen Sachen, z.B. Bauzäune, walten lassen. Eine verbissen pro-nukleare Energie-Politik wäre mit ein paar netten Transparenten Atomkraft? Nein Danke nicht zu beeindrucken gewesen. Die Frage der Legitimität von Gewalt ist historisch verdammt vertrackt . Das weitere Dilemma: Heute haben viele Gewaltbereite gar kein Inte- resse an einem gesellschaftlichen Wandel, etwa für mehr Nachhaltigkeit oder Korrekturen am globalisierten Turbokapitalismus. Sie missbrauchen lediglich unseren Artikel 8 zur Versammlungsfreiheit, um ihrem Hass und perfiden Gewaltexzessen eine Arena zu schaffen. Hirnlos wie Hooligans. Sollen wir nun bestimmte Freiheitsrechte gesetzlich einschränken? Bisher reisen Straftäter quer durch Europa, die wir allerdings erst fest- nehmen können, wenn es zu spät ist, also nach begangener Straftat. Das ist eine perfide Logik: die Gewalttäter nutzen unsere freie Gesellschaft, um genau dieser Freiheit zu schaden. Und das macht mich wütend. Und es ist fatal. Nicht nur Innen- und Sicherheitspolitisch, sondern auch in seiner außenpolitischen Wirkung. Müssen wir doch gegenüber Schurken-Regierungen eingestehen, dass unsere liberale, freiheitlich- tolerante Gesellschaft nicht in der Lage ist, ihre Bürger vor Gewalt zu schützen. Angesichts dieser Aspekte müsste man zusammenfassen: Es war falsch , den G20 in Hamburg stattfinden zu lassen. Aber keiner will das eingestehen. Juwelier Willer-logo_2012