Skeptisches Deutschland Kultur-

20 ALSTER-MAGAZIN NR. 7 2016 ALSTER MAGAZIN L O C A L P E O P L E Skeptisches Deutschland? Autor Benjamin Lauterbach hat mit seinem Stück Hinter der Mauer ist das Glück ein gesellschaftliches Meisterstück geschaffen: Aktuelle Themen wie Fremdenhass, Plastikmüll oder Handybestrahlungen werden auf humorvolle Weise zugänglich gemacht. Alster-Magazin: Ihr Stück Hinter den Mauern ist Glück spielt in der Zeit eines idealistischen Deutschlands. Plastikmüll stellt kein Problem mehr dar, wie kommts? Benjamin Lauterbach: Wenn es dringlichen Appellen vonseiten der Politik nicht gelingt, ein Umdenken innerhalb der Bevölkerung zu erreichen, müssen meist Gesetze her. Ein starker Staat muss mit Verboten dafür sorgen, dass die Menschen zur Vernunft kommen, das jedenfalls scheinen viele Menschen zu glauben. Warum also nicht auch ein Verbot für Plastik, Handystrahlung und bestimmte Medikamente verabschieden? Technische Veränderungen haben in Ihrem Stück wenig Platz. Innerhalb der deutschen Gesellschaft sehnen sich viele nach den Werten und der Lebensweise der Vergangenheit. Genau wie in England, unter anderem deshalb kam es zum Brexit. All das basiert auf der Annahme, dass früher alles besser war, auch wenn das natürlich nicht stimmt. Warum haben Sie den Punkt keine Ausländer aufgegriffen? Ich nehme eine wachsende Ausländerfeindlichkeit wahr, wie jeder von uns in der Zeitung, auf der Straße, im Gespräch. In meinem Stück gibt es Hinweise darauf, wie diese Ausländerfeindlichkeit wieder so groß werden konnte. Einer davon: Die Menschen, die zu uns kom- men, wollen in Frieden leben, aber nicht unbedingt automatisch alle unsere Verhaltensweisen und Wertvorstellungen übernehmen. Das passt vielen Leuten nicht. Beim Dichter Emanuel Geibel hieß es vor 150 Jahren: Am deutschen Wesen soll die Welt genesen. Diese Idee spukt heute in zu vielen Köpfen herum. Welche aktuellen Geschehnisse haben Ihr Stück geprägt? Es sind mehr Veränderungen, die ich in meinem Freundes- und Be- kanntenkreis wahrgenommen habe: Ich erlebe wachsenden Nationa- lismus in schleichender Form, dazu eine tiefe Skepsis gegenüber allem Fremden. Dafür gibt es Gründe, jeder einzelne kann wahrscheinlich darlegen, warum die eigene Weltoffenheit abnimmt. Ich will diese Entwicklung deshalb mit meinem Stück nicht bewerten, sondern höchstens davor warnen und aufzeigen, wohin so ein Denken im schlimmsten Fall führen kann. In was für einem Deutschland möchten Sie einmal leben? In einem möglichst friedlichen, sicheren, weltoffenen, toleranten Land, in dem niemand unter großer Armut leidet. Allerdings entwickelt sich vieles gerade in eine andere Richtung. Wie wird es mit Deutschland weitergehen? Wir Deutschen sind konfliktscheu. Deshalb halten wir bei Themen mit Konfliktpotenzial lieber solange den Mund, bis eine gesellschaftliche Entwicklung nicht mehr aufzuhalten ist. Dann werden die Deutschen plötzlich giftig, wie z.B. bei der Flüchtlingssituation. Sofort wählten die Menschen eine Partei, die sie unter normalen Umständen, dessen bin ich mir sicher, niemals wählen würden. Insofern sehe ich die Zukunft gar nicht mal so pessimistisch: wir müssen lernen, Probleme frühzeitig zu benennen und an ihnen zu arbeiten und nicht erst, wenn man im Grunde nichts mehr ändern kann. Wieso musste es eine Chinesin sein, die die Deutschen und ihre Kultur kennenlernen will? Es gibt Menschen, die verbergen ihre grundsätzliche Abneigung gegen alles Fremde und Andersartige. Es braucht dann ein paar überraschende Situationen, um diese Fassade zum Einsturz zu bringen, wie mit der Chinesin: Die Chinesin kommt voller Demut als Gast nach Deutsch- land angereist, die Deutschen aber haben sich in ihrer zufriedenen Arroganz gar nicht erst die Mühe gemacht, etwas über das China der Zukunft zu erfahren. Das rächt sich dann sehr schnell. ju Mit seinen intelligenten Theaterstü- cken trifft Autor Benjamin Lauterbach den Zahn der Zeit. Ein langes Interview dazu auf facebook.de/alstermagazin Pr iv at Hinter der Mauer ist das Glück läuft vom 24 .8. 26. 10. u.a. mit Konstantin Graudus und Rabea Lübbe in der Reihe KONTRASTE der Komödie Winterhuder Fährhaus. Tickets ab 26 , komoedie-hamburg.de, Tel. 480 680 80. Kultur- TIPP