Kinderleben Cent wert

24 ALSTER-MAGAZIN NR. 03 2017 ALSTER MAGAZIN LOCAL P EOPLE Dr. Dorian Jungmann , aus Rotherbaum ist Arzt bei German Doctors. Für die Organisation, die einst Ärzte für die Dritte Welt hieß, war er mit seiner Freundin Dr. Teresa De La Torre (30), ebenfalls Ärztin in der Institution, in Sierra Leone im Einsatz. Wir sprachen mit ihm über seine Tätigkeit und seine Eindrücke. Ein Kinderleben dort ist hier keinem 50 Cent wert! Alster Magazin: Wie würden Sie selbst die Situation in Sierra Leone beschreiben? Das Land ist einfach eine komplett andere Welt. Man hat vor Ort gar nicht so den Eindruck, dass dort viel Armut herrscht, weil es dort einfach nichts anderes gibt. Auch die Kontraste gibt es nicht. Die Leute leben in Lehmhütten mit Strohdächern und laufen halbnackt rum. Es gibt auch nichts Materielles. Auf den Dörfern gibt es nur diese Art von Realität. Aber dadurch ist natürlich das Bildungsniveau extrem niedrig. Die meisten Leute sprechen auch kein Englisch. Wichtig sind den Menschen dort auch immer noch die traditionellen Formen des Glaubens und in diesem Kontext dann dort eine Seuche (Ebola) zu bekämpfen, die keiner sehen kann, die keiner kennt, ist auch extrem schwierig gewesen. Wie sehr belastet es Sie, nicht immer helfen zu können? Ich meine, man muss abwägen können, weil ja wirklich klar war, haben wir einen Ebola-Fall im Krankenhaus, dann müssen wir dicht machen, dann sterben wir vielleicht, unsere Mitarbeiter und dann sterben alle die schwerkrank sind. Es gab z.B. auch einen Fall, eine 21/22-jährige Frau, schwanger mit dem zweiten Kind in der vierundzwanzigsten Schwan- gerschaftswoche. Sie hatte 39 Grad Fieber und Vaginalblutungen. Fieber und Aborte sind typische Symptome bei Ebola gewesen. Bei dieser Frau mussten wir entscheiden, was wir jetzt machen. Wir haben uns dann Ebola-Schutzanzüge angezogen und haben versucht sie irgendwie zu behandeln und alles zu dekontaminieren, zu verbrennen und die Tür abzuschließen. Am nächsten Morgen war die Frau dann leider tot. Man weiß in dem Moment nicht sofort, ob sie Ebola hat. Der Test war dann im Nachhinein zum Glück negativ. Kommt Ihnen unsere medizinische Übertechnisierung komisch vor, wenn Sie zurück sind? Das ist ein ganz schwieriges Thema. Übertechnisiert nicht, denn in der Medizin brauchen wir Technik. Die fehlte uns in Sierra Leone quasi komplett, wir hatten nichts wirklich nichts. Man konnte nicht einmal eine intravenöse Ernährung durchführen. Deswegen sind Patienten nach Operationen verhungert. Einen Kaiserschnitt können wir da für 50 bis100 machen, wenn wir die Materialien hätten, aber daran mangelt es. Also, so viel ist ein Leben wert muss man sagen. Aber ein Kinderleben auf dieser Welt, drei Stunden von Europa entfernt, ist hier keinem 50 Cent wert. Da sterben die Kinder wie die Fliegen. Man kann dort wirklich helfen und das macht einem so viel Spaß, da braucht man auch keinen Pfennig Geld mehr. Es ist eine erfüllende Tätigkeit. Für das alltägliche Arbeiten ist das - aus ganz egoistischen Gründen - ein extrem befriedi- gender Job. Es kommen hilfesuchende Menschen zu dir und wenn man ihnen diese Hilfe gibt, erntet man Dankbarkeit. Katrin Gochermann Helfen vor Ort: Dorian Jungmann und Terasa De La Torre in Sierra Leone Die Ärzte von German Doctors helfen freiwillig und unentgeltlich in Entwicklungsländern. Mehr Infos auf: www.german-doctors.de GERMAN DOCTORS Ich weiß nicht, ob Teresa das alleine geschafft hätte, aber ich nicht. Dr. Dorian Jungmann Fo to : G er m an D oc to rs