Sprachliche Brücken bauen

44 | ALSTERTAL MAGAZIN MAGAZIN Sprachliche Brücken bauen Alstertal Magazin: Wann kamen Sie zum ersten Mal mit Draußen vor der Tür in Kontakt? Michael Lang: Meine Schulnoten in Deutsch waren regelmäßig die schlechtesten meiner Schulzeit. Die in Musik die besten. Sprich: Sinfonien und Opern kannte ich schon recht früh sehr gut, die gro- ße Werke der Literatur habe ich nur am Rande mitbekommen. Das änderte sich dann, als ich unverhoffter Weise 1998 Leiter eines Sprechtheaters wurde. Allerdings stand DRAUSSEN VOR DER TÜR zu dieser Zeit kaum auf den Spielplänen der Theater, das änderte sich dann mit den Folgen des Afghanistan-Krieges. Plötzlich bekam das Thema Kriegsheimkehrer wieder neu an Bedeutung. 2011 sah ich das Stück dann im Thalia Theater. Wie verändert sich die Wirkung, wenn man das Stück ins Platt- deutsche überträgt? Das Stück bekommt dadurch noch einmal eine ganz besondere Kraft und eine zusätzlich Ebene. Unsere Produktion ist zweisprachig an- gelegt. Beckmann, der Kriegsheimkehrer, spricht plattdeutsch. Er kommt zurück in eine Welt, die ihm fremd geworden ist und die mit ihm fremdelt. Dort wird hochdeutsch gesprochen. Dieser Konflikt wird durch die unterschiedlichen Sprachen noch einmal besonders deutlich. Die Fassung von Cornelia Ehlers und Ingo Putz ist wirklich kongenial! Die Kriegsheimkehrergeschichte hat damals vielen Menschen aus der Seele gesprochen. Heutzutage gibt es nicht mal mehr die Wehrpflicht. Was kann das Stück heutigen Generationen geben? Es hat in Deutschland noch nie so lange Frieden gegeben wie heutzu- tage. Das ist eine große Herausforderung, und wir sind dafür verant- wortlich, dass das auch so bleibt. Zumal 2017 weltweit immer noch 31 Kriege gezählt wurden. Es kann allen nachwachsenden Generationen gar nicht genügend deutlich gemacht werden, welche fatalen Folgen es hat, selbst wenn man einen Krieg überlebt. Deswegen sind Stück wie Draußen vor der Tür auch heute noch so wichtig. Ganz mal davon abgesehen, dass es eine ganze Reihe von Menschen gibt, die mit diesem Thema persönliche Erfahrungen gemacht haben und die dankbar sind, dass sie durch solche Stücke noch gehört werden. Im August jährte sich Ihre Zeit beim Ohnsorg-Theater zum ersten Mal. Wie ist Ihr Konzept aufgegangen, mehr junge Leute für die niederdeutsche Sprache zu begeistern? In der Tat ist eine riesengroße Herausforderung, die nachwachsenden Generationen für die plattdeutsche Sprache zu begeistern. Zumal, wie die Experten beweisen, uns zwei Generationen verloren gegangen sind, die nicht oder nur sehr wenig mit Plattdeutsch aufgewachsen sind. Wir müssen also neugierig machen auf unsere wunderschöne Regionalsprache, die sehr viel mit unserer eigenen Identität und unseren norddeutschen Wurzeln zu tun hat. Da es aber eine eigene Sprache ist und kein Dialekt, wie z.B. Bayerisch, wächst man auch heute nicht automatisch damit auf. Wir müssen also sprachliche Brücken bauen und kraftvolles, authentisches Volkstheater zeigen und spannende norddeutsche Geschichten erzählen, in denen die Menschen sich und ihr Umfeld wiedererkennen. Da gelingt nach und nach immer besser, und wir zählen immer mehr Zuschauer, die die Scheu vor dem Ohnsorg bzw. der plattdeutschen Sprache verlieren. Doch es wird eine lange Reise werden, in der es auch Rückschläge zu verarbeiten gilt. Aber es lohnt sich, und ich kann nur jedem Leser empfehlen, unbedingt Ohnsorg auszuprobieren, sie werden erstaunt sein, wie vielfältig sowie inhaltlich und ästhetisch zeitgemäß das Theater aufgestellt ist. Christian Luscher Michael Lang , ehemals Chef der Komödie Winterhuder Fährhaus, ist seit über einem Jahr Intendant des Ohnsorg-Theaters . Buten vör de Döör, die plattdeutsche Inszenierung des Borchert-Stücks Draußen vor der Tür, erhielt vor kurzem den Monica Bleibtreu Preis. Wir sprachen mit dem Volksdorfer über die Aktualität Borcherts, schlechte Schulnoten und die Vielfalt der plattdeutschen Sprache. Ich kann nur jedem Leser empfehlen, unbedingt Ohnsorg auszuprobieren, sagt Intendant Michael Lang. Fo to : O liv er F a nt its ch